Dimitrij Rupel über die Unabhängigkeit

„Slowenien war 1989 und zu Beginn des Jahres 1990 eine sozialistische Republik in Jugoslawien. Wenn es dort verblieben wäre, hätten vermutlich ähnliche Probleme und Bewährungsproben gewartet sowie schreckliche Ereignisse, wie sie sie zum Beispiel Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Kosovo ereilten.“

Ehemaliger Herausgeber der Nova revija, Gründer des Slowenischen Demokratieverbandes, langjähriger Außenminister. Das alles ist Dimitrij Rupel und mit ihm unterhielt sich RTV SLO über die damaligen Ereignisse, die zur Unabhängigkeit führten, an denen Hr. Rupel maßgeblich beteiligt war. Mit der freien Wiedergabe dieses Interviews ergänzt um eigene Ansichten (kursiv), will ich dazu beitragen ein Verständnis zu schaffen für die damaligen Ereignisse, weshalb sie gut für Slowenien waren und sind sowie den Leuten entgegenwirken, die das damalige System überwiegend positiv darstellen.

Start der Demokratiebewegung

Auf die Frage, ob er im Februar 1987, als er die 57. Ausgabe der Nova revija herausbrachte, in der der Artikel zum slowenischen Nationalprogramm veröffentlicht wurde, glaubte, dass sich dies dann so schnell würde verwirklichen, antwortete er, dass niemand erwartet hatte, dass ihre Überlegungen politische Realität werden würden. Er fügte hinzu, dass 1987 immer noch ein relativ hartes Einparteiensystem herrschte, aber auf der anderen Seite allen völlig klar war, nach Titos Tod 1980 und aller sonstigen Ereignisse in der Tschechoslowakei, Polen und der Sowjetunion werde nichts mehr so sein wie es vorher war.

Nach seinen Aussagen konnten 1987, abgesehen von der damaligen Ordnung, Veränderungen bzw. Verläufe gefühlt werden, auf die sie reagiert hatten. Er schilderte außerdem, dass sie unter starkem Druck standen durch die Staatsgewalt und obwohl sie es nicht erwartet hatten, hofften sie, dass ihre Reaktionen Folgen haben werden. Weiterhin beschreibt er, wie er und Niko Grafenauer damals an der Spitze der Zeitschrift ausgewechselt wurden und er bereits seit 1973 heimlich vom Polizeisystem ausspioniert wurde, was er bereits damals vermutete, aber er erst jetzt Gewissheit darüber habe.

Gefragt wurde er weiterhin, wie die Parteigenossen dem Nationalen Programm Slowenischer Unabhängigkeit gegenüber standen, denn damals gab es bereits eine Debatte darüber, ob sich die Befürworter aus Parteikreisen nur aus opportunistischen Gründen anschlossen oder sie wirklich dafür waren. Die Antwort darauf ist so erschütternd wie hoffnungsgebend, weil sie zeigt, eine Bewegung hat auch Auswirkungen auf die Köpfe der Obersten. Konkret schildert er die erste Reaktion Milan Kucans auf die 57. Ausgabe der Nova revija, der damals Präsident des Zentralkomitees der Kommunisten Sloweniens war. Dieser antwortete, dass er alles tun werde, damit sich das dort Beschriebene nie ereignen werde. Durch diese grobe Geste der Zurückweisung wird schon eindeutig, dass es damals keine versteckten eigenen Interessen gab, fügt Rupel hinzu. Dennoch ist Rupel überzeugt, dass viele Parteigenossen der damaligen Ausgabe innerlich zustimmten.

Später erkannte Kucan auch selbst die Zeichen der Zeit und führte Slowenien als erster Staatspräsident 1991 bis 2002 in eine goldene Zukunft. Man mag dabei auf genau dieses opportunistische Verhalten schließen, das Politikern gerne unterstellt wird. Aus meiner Sicht hat Kucan damit jedoch gezeigt, dass ein kluger Mann sehr wohl seine Überzeugungen den aktuellen Realitäten anpassen kann und dennoch glaubwürdig und erfolgreich einen Staat durch schwerste Zeiten führen kann.

Rupel ergänzt, er möchte nicht den Eindruck erwecken, diese Ausgabe der Revue hätte die Welt erlöst oder es irgendein phänomenaler Durchbruch gewesen wäre. Es wäre ein kleiner Durchbruch gewesen, eine Art Stoß. Er weist aber auch darauf hin, dass sich die wirklich ernsthaften und praktischen Auswirkungen später erst ereigneten und führt als Beispiel das JBTZ (Janša-Borštner-Tasic-Zavrl) Quartett 1988, die Gründung des Slowenischen Bauernverbandes im Mai 1988 an sowie die Gründung des Slowenischen Demokratieverbandes, die Gründung des Verbandes der Slowenischen Sozialdemokraten und die Gründung Demoses. Zu Demos ergänzt er, dass bis zu deren Gründung das slowenische Parteiensystem praktisch unberührt war, denn die slowenische kommunistische Partei verließ erst 1990 das Jugoslawische Kommunistenbündnis.

Bezüglich  Kucan, sei er ihm gegenüber bis zum Plebiszit am 23.12.1990 kritisch eingestellt gewesen, bis sich auch viele andere Kommunisten der Unabhängigkeitsbewegung anschlossen, da das Ergebnis der Volksbefragung völlig unstrittig und eindeutig war.

Das Referendum

Rupel wird in dem Interview auch gefragt, wie denn das Ergebnis der Volksbefragung von den Politikern gedeutet wurde, ob es als eindeutige Loslösung von Jugoslawien verstanden wurde oder eine Konföderation bedeuten solle. Er antwortet darauf, dass sich in der Demos alle einig waren, was das Ergebnis aussage. Die Zeit vom Plebiszit bis zum 25.06.1991 war seinen Angaben nach eine Zeit großer Unklarheiten, vieler Probleme und Hindernisse. Noch am 21.06.1991 redete der damalige amerikanische Staatssekretär James Baker auf sie ein, Slowenien müsse in Jugoslawien verbleiben. Eine Erinnerung, dass irgendwer in der Regierung gegen die Unabhängigkeit gewesen wäre, habe er nicht.

Auf die Frage zu den Ansichten anderer ausländischer Politiker außer Baker geht er auch auf Deutschland ein. Er schildert wie skeptisch gerade die Sozialistische Internationale dem Vorhaben gegenüber stand, bei denen natürlich Miloševic bereits Lobbyarbeit geleistet hatte. Doch er weist auch auf die Unterstützer Sloweniens hin wie Alois Mock (österreichischer Außenminister), Hans-Dietrich Genscher (deutscher Außenminister), Helmut Kohl (deutscher Kanzler), Island und die baltischen Staaten. Diese nahmen den größten Einfluss im Sinne Sloweniens. Während die sozialistische Internationale, die Amerikaner und einige andere sehr zurückhaltend waren. Deutschland stellt er als stärksten Befürworter in der EU dar und zitiert dabei Helmut Kohl, der sagte: „Das, was sich trennen muss, solle auseinander gehen und was zusammengehört, solle zusammengehen“. Allerdings Genscher habe bereits während des Krieges und später in Brioni sehr viel für Slowenien getan und dafür gesorgt, dass Slowenien in der EU das notwendige Gehör findet.

Jugoslavija? Nikoli vec!

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