Der Griff zu den Sternen – 20 Jahre Unabhängigkeit

In diesen Tagen feiert Slowenien seinen 20. Geburtstag – ein guter Grund, stolz die eigene Unabhängigkeit gebührend zu feiern. Leider ist den meisten Slowenen wegen der wirtschaftlichen Probleme und der politischen Lage im Land wenig zum Feiern zumute. Vielleicht sollte man sich angesichts des Jubiläums einmal an die Geburtsstunde des Landes und die seinerzeitigen Geschehnisse erinnern. Mit welcher Kraft und welchem Mut die Slowenen den Schritt in die Unabhängigkeit wagten und sogar einen Krieg in Kauf nahmen, um endlich in einem eigenen slowenischen Staat leben zu können.

Bereits Mitte der 80er Jahr hatte in Slowenien ein  Demokratisierungsprozess eingesetzt, welcher die schrittweise Loslösung aus dem Bundesstaat Jugoslawien einleitete. Im Herbst 1989 wurden ungeachtet massiver Drohungen aus Belgrad erste demokratische Wahlen in Slowenien vorbereitet, die dann im April 1990 stattfanden. Die neue, frei gewählte Regierung Sloweniens unternahm zunächst den letztendlich erfolglosen Versuch, sich mit der jugoslawischen Führung auf eine Art konföderiertes Bündnis zu verständigen.

Am 23. Dezember 1991 fand dann das Referendum zur Unabhängigkeit Sloweniens statt. 88,2 % der Slowenen stimmte für die Gründung eines eigenen slowenischen Staates. Gleichwohl unternahm man einen letzten Versuch, mit der jugoslawischen Staatsführung eine einvernehmliche Lösung zu finden – erneut ohne Erfolg. Am 25. Juni 1991 schließlich erklärte Slowenien gemeinsam mit dem Nachbar Kroatien formell die staatliche Unabhängigkeit.

Die Reaktion aus Belgrad ließ nicht lange auf sich warten. Nur zwei Tage später kam es in Slowenien zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Territorialverteidigung Sloweniens und der Jugoslawischen Armee. Der Zehntagekrieg gilt als Beginn der Balkankrieges im ehemaligen Jugoslawien.67 Menschen starben in den militärischen Auseinandersetzungen, der aufgrund der Vermittlung der  EG mit einem Waffenstillstand endete. Die Slowenen hatten sich ihre Unabhängigkeit mutig und erfolgreich erkämpft.

Doch damit stand man erst am Anfang eines zunächst weiterhin steinigen Weges. Nach der Unabhängigkeit geriet das Land in eine wirtschaftliche Rezession. Durch den Zerfall Jugoslawiens brachen die Absatzmärkte zusammen und man war gezwungen völlig neue wirtschaftliche Strukturen aufzubauen.

Slowenien schaffte es jedoch relativ schnell, diese wirtschaftliche Talsohle zu durchschreiten. Die politischen Lager verzichteten wie schon beim Weg in die Unabhängigkeit auf parteipolitische Auseinandersetzungen, sondern beschlossen schnell und einvernehmlich wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Rezession und zukunftsweisende Grundsatzentscheidungen wie den Beitritt zur Nato und zur EU. Dieses verantwortungsvolle politische Handeln trug schnelle Früchte. Slowenien nahm eine zum Teil atemberaubend positive Entwicklung und galt schnell als „Musterländle“ unter den ehemaligen Oststaaten.

Auch ausländische Investoren und Konzerne wie beispielsweise Renault gründeten Produktionsstandorte, überall im Lande gab es einen Bau- und Immobilienboom. Die Arbeitslosigkeit bewegte sich in niedrigsten Regionen und der Lebensstandard stieg kontinuierlich und auf breiter Basis. 2004 erfolgte die Aufnahme in die EU und eine glänzende Haushaltslage bescherte Slowenien als erstem der Beitrittsländer Osteuropas 2007 den Euro – quasi der wirtschaftliche Ritterschlag.

Bis dahin eine Geschichte wie im Märchen. Alle Hoffnungen und Wünsche, die die Slowenen 1991 zur Entscheidung zur Unabhängigkeit bewogen hatten, schienen sich mehr als erfüllt zu haben. Das slowenische Volk lebt frei und unabhängig in einem wirtschaftlichen prosperierendem Staat, geachtet und zum Teil bewundert von den europäischen Nachbarn. Angesichts dieser großartigen Situation übersahen viele die im Land vorhandenen Baustellen. Beispielsweise den zu großen Einfluss des Staates in vielen Firmen, die fehlenden Innovationen, das im Hinblick auf den demographischen Wandel zu frühe Renteneintrittsalter aber auch die „Nehmerqualitäten“ unter den verantwortlichen Volksvertretern.

Der glanzvollen Entwicklung folgte ein jäher und von den meisten unerwarteter Absturz. Die Wirtschafts- und Finanzkrise beutelte Slowenien mehr als die meisten anderen EU-Länder. Die Bauwirtschaft brach zusammen, viele Traditionsunternehmen gingen in Konkurs, die Arbeitslosigkeit stieg rasant. Gleichzeitig verhedderten sich die politisch Verantwortlichen in Kleinkriegen, Skandalen und demonstrieren eine kaum für möglich gehaltene Unfähigkeit. Das Volk lehnt die Regierung mit großer Mehrheit ab und haut der Regierung diverse Gesetze förmlich um die Ohren.

Das Land leidet  zum Zeitpunkt seines 20. Geburtstags unter einer explodierenden Staatsverschuldung, einer handlungsunfähigen Politik und einem von der Situation frustriertem Volk, das seiner Regierung nicht zutraut, die Lage in den Griff zu bekommen. Mutlosigkeit und Resignation allerorten und nicht wenige sehnen sich inzwischen die „gute alte Zeit“ im Verbund Jugoslawiens zurück.

Gerade in dieser für das Land so schwierigen Lage sollten Bürger und Politiker das Jubiläum der Staatsgründung nutzen, um einen Blick zurück zu werfen. Mit welcher Stärke und welcher Einigkeit Volk und Politik den weitaus schwereren Weg in die Unabhängigkeit gingen. Ohne Furcht vor einer kriegerischen Auseinandersetzung und einer drohenden Rezession  machte man sich geschlossen auf in eine sehr ungewisse Zukunft. Aus dieser Erinnerung an die eigene Stärke sollte man die Kraft schöpfen, die jetzigen Probleme beherzt, solidarisch und vor allem gemeinsam und einvernehmlich anzugehen und zu lösen.

Das Land hat in den letzten zwei Jahrzehnten eine großartige Entwicklung genommen, auf die das kleine Volk der Slowenen stolz sein kann. Jetzt müssen alle daran arbeiten, dass Slowenien, dessen Geburtsstunde vor 20 Jahren mit soviel Hoffnung und Begeisterung verbunden war, die Chance auf eine erfolgreiche und glückliche Zukunft hat.

 

 

 

 

 

 

 

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert