Am 1. Mai 2004 war es soweit: Slowenien trat gemeinsam mit neun anderen Ländern der Europäischen Union bei. Haben sich die Hoffnungen und Erwartungen erfüllt? Oder sich Ängste und Befürchtungen bewahrheitet?
Die Gegner des EU-Beitritts hatten damals düsterer Bilder gemalt. Das kleine Slowenien werde bei einem EU-Beitritt in der Masse untergehen. Einige sahen sogar die slowenische Identität und Sprache in Gefahr. Diese Ängste erwiesen sich als unbegründet. Auch die Sorge, dass die „alten“ (westlichen) Mitgliedsländer die Arbeitnehmer in Heerscharen aus dem Land locken würden, bewahrheitete sich nicht.
In allen Beitrittsländern gab es die Hoffnung, durch einen EU-Beitritt werde es quasi automatisch eine Anpassung an den Lebensstandard der anderen EU-Länder geben. Man träumte von „westlichen“ Löhnen und schnellem Wohlstand für viele. Diese Hoffnungen konnten nur enttäuscht werden. Der Durchschnittsbruttolohn der 27 EU-Staaten liegt bei 14,00 EUR, in Slowenien beträgt er mit 7,00 EUR nur die Hälfte und in anderen Beitrittsländern noch weniger. Fakt ist, dass der Lohn sich an der Produktivität des einzelnen Landes orientiert. Wenn diese stagniert, werden auch die Löhne nicht weiter steigen können.
Anfangs sorgte der EU-Beitritt in allen Ländern für einen postiven psychologischen Effekt. Aber daß allein ein EU-Beitritt keine Garantie für ein schnelles Wirtschaftswachstum und einen stabilen Aufschwung war, wurde allerorten recht schnell klar. Dabei war die Entwicklung in Slowenien ja im Vergleich zu anderen Beitrittsländern anfangs fast atemberaubend. Slowenien galt lange und eigentlich bis zur Wirtschafts- und Finanzkrise als „Beitritts-Musterland“. Der Lebensstandard stieg, die Arbeitslosigkeit war gering und die Unternehmen aus westlichen EU-Ländern gründeten hier ihre Produktionsstandorte. 2007 trat Slowenien als erstes der Beitrittsländer dem Eurogebiet bei. Die Zukunft schien in rosigen Farben – nichts deutete darauf hin, daß sich daran plötzlich etwas würde ändern können.
Leider zeigte die Wirtschaftskrise dann schnell und recht brutal, daß der Aufschwung und das Wachstum in Slowenien auf recht tönernen Füssen stand. Die Krise traf Slowenien mit einer Wucht wie kaum ein anderes Land in Europa. Die Bauwirtschaft brach quasi zusammen und auch andere Traditionsunternehmen gingen in die Insolvenz. Andere Betriebe gerieten so in Schieflage, dass Arbeitnehmer monatelang auf ihre Löhne warten mußten, die Arbeitslosigkeit stieg rasant an und befindet sich immer noch auf einem recht hohen Niveau. Gleichzeitig explodierte die Staatsverschuldung. Der Aufschwung im EU-Musterländle fiel fast wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Wie konnte es dazu kommen?
Die OECD, der Slowenien ebenfalls beigetreten war, hat in einer Studie ermittelt, dass Slowenien eines der Länder ist, welches am härtesten von der Krise getroffen wurde, und dies besonders im Exportbereich. Diese brachen innerhalb von ein paar Monaten vom letzten Quartal 2008 bis zum Ende des ersten Quartals 2009 um 20 % ein. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank um 8,1% – einer der tiefsten Einbrüche innerhalb aller OECD-Länder. Aber warum traf es Slowenien so hart und was muss getan werden, damit es wieder aufwärts geht?
Die OECD schrieb Slowenien ins Stammbuch, daß die Sanierung der Staatsfinanzen oberste Priorität haben müsse, um das Vertrauen möglicher Investoren zu gewinnen. Das Budgetdefizit uferte während der Krise aus und betrug 2009 stolze 5,7 % des BIP. Bis 2013 will es die Regierung nun durch entsprechende Einsparungen, die zum Teil schon beschlossen wurden, auf 1,6 % drücken. Die OECD bemängelt allerdings, dass einige der von der Politik verabschiederen Sparmaßnahmen zeitlich begrenzt sind. Eine nachhaltige Reduktion des strukturellen Defizits sei so nicht zu erreichen. Und die OECD gibt weitere Ratschläge, was zu tun ist.
Sie empfiehlt Slowenien, die Einkommenssteigerungen im öffentlichen Sektor einzufrieren, die seit 2008 erheblich gestiegen seien. Außerdem sieht die OECD in Slowenien einigen Spielraum für Steuererhöhungen – etwa im Immobilien- oder im Umweltbereich. Ein weiterer Mühlstein am Hals Sloweniens sei auch das Pensionssystem. Hier herrsche dringender Reformbedarf, da die Ausgaben die öffentliche Haushalte massiv belasten, heißt es weiter in dem Bericht. Ansonsten würden die Pensionsausgaben bis 2060 um weitere 7 % des BIP steigen, was nicht mehr zu verkraften sei. Als ein Wachstumshindernis beim Weg aus der Krise könnte sich nach Ansicht der OECD auch die Arbeitsmarktpolitik erweisen. Der Arbeitnehmerschutz gehöre zu den „dichtesten in der OECD“. Der Kündigungsschutz müsse daher gelockert werden, um die Unternehmen zu Einstellungen zu motivieren. Allerdings werde die strukturelle Arbeitslosenquote zunächt weiter steigen, da diese nur mit langfristigen Maßnahmen in den Griff zu bekommen sei. Der bisher niedrigste Wert betrug 5,9 Prozent im Jahr 2007. Die OECD stellte weiter in ihrem Gutachten fest, dass der Industriesektor in Slowenien unterentwickelt ist und der Staat noch zu sehr in der Wirtschaft mitmischt.
Man kennt also die Baustellen und die slowenische Politik sollte sich schleunigst daran machen, hier die notwendigen strukturellen Veränderungen in die Weg zu leiten.
Viele sind vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise verunsichert und einige meinen, es sei besser gewesen, der EU gar nicht beizutreten. Die OECD-Studie zeigt allerdings, dass die Gründe für den wirtschaftlichen Rückgang viele andere Ursachen hatte, die in den Strukturen im Land zu suchen sind. Die Frage, wie sich Slowenien ohne den Beitritt entwickelt hätte, ist daher müßig.
Letztendlich sollte man bei allen wirtschaftlichen Problemen, die derzeit in Slowenien bestehen, nicht vergessen, daß man der EU nicht aus rein ökonomischen und monetären Gründen beitrat. Es wird unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise inzwischen häufig vergessen, dass der Grundgedanke bei der Gründung der EU (oder vorher EG) die Schaffung eines demokratischen, politisch stabilen und toleranten Europas war, in welchem die europäischen Völker friedlich vereint leben können. Manchmal wäre es vielleicht sinnvoll, diese Ideale, die seinerzeit bei der Gründung und noch unter dem Eindruck der fürchterlichen Erfahrungen des 2. Weltkriegs höchsten Stellenwert hatten, in ganz Europa wieder ein wenig mehr ins Zentrum zu rücken.